Wenn du an Rückbeugen im Yoga denkst, kommen vielleicht gemischte Gefühle auf. Vielleicht bist du gespannt, nervös oder sogar ein bisschen ängstlich. Wenn du die Wirbelsäule nach hinten biegst, ist es unbedingt notwendig, dass du zwischen muskulärer Anstrengung und körperlichen Schmerzen zu unterscheiden lernst.
Die meisten von uns denken sicher an sehr intensive, tiefe Rückbeugen wie das Rad (Urdhva Dhanurasana), dabei ist die Yogapose Kamel (Ustrasana) dir bzw. deinen Schülern viel leichter zugänglich. Diese Asana ist eine großartige Übung, die nicht nur deinen Körper, sondern auch deinen Geist stärkt. Diese Asana lehrt dich nämlich, dein Ego während deiner Yogapraxis loszulassen, statt deinen Körper in Instagram-würdige Posen zu forcieren, für die er vielleicht noch gar nicht bereit ist.
„Body is not stiff, mind is stiff.“
Dieser Artikel wird dir helfen zu verstehen:
1. Wie führst du die Yogapose Kamel sicher aus?
- Für die Ausführung der Yogapose Kamel ist vor allem der Einstieg wichtig: Knie dich auf deine Yogamatte mit den Knien hüftbreit auseinander.
- Stelle deine Zehen auf und bringe deine Füße mattenbreit auseinander. Dadurch rotieren deine Oberschenkel nach innen.
- Bringe deine Hände an die Taille und schiebe dein Gesäß zurück. Du kannst sogar einen kleinen Entenpo machen.
- Deine gebeugten Ellenbogen führst du enger zueinander, um deinen Brustkorb zu öffnen.
- Zieh dein Schambein nach oben, sodass dein Becken nach hinten kippt.
- Jetzt schiebst du dein Gesäß nach vorn, bis du eine sanfte Dehnung in der Vorderseite deiner Oberschenkel spürst.
- Bringe deine Füße nun wieder enger zueinander, sodass deine Schienbeine parallel zueinander sind.
- Hebe deinen Brustkorb an und ziehe deine Schultern nach oben und hinten.
- Erst jetzt löst du die Hände von deiner Taille. Rotiere deine Arme nach außen, während du nach deinen Fersen greifst.
- Rotiere deine Arme noch weiter nach außen, sodass sich die unteren Spitzen deiner Schulterblätter aufeinander zu bewegen.
- Stell dir vor, du willst deine Beine strecken: Drücke die Zehen fest in die Yogamatte und schiebe deine Oberschenkel nach hinten. Dadurch schaffst du mehr Raum in deinen Hüftbeugern.
- Hebe deinen Brustkorb nach oben in Richtung Decke.
- Um aus der Yogapose Kamel herauszukommen, strecke einen Arm nach oben und ziehe dich nach oben. Setze dich anschließend auf deine Fersen und halte kurz inne.
Jetzt ist es an der Zeit, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Roll deine Yogamatte aus und schau dir diese kurze Video an, in dem dir Young Ho Kim Schritt für Schritt die richtige Ausrichtung in der Yogapose Kamel erläutert. Wenn du mehr über die korrekte Ausführung weiterer Asanas lernen möchtest, solltest du dir unbedingt sein Inside Yoga Alignment auf TINT schauen. Hier findest du detaillierte Hinweise für einige der häufigsten Asanas. Für jede Asana gibt es sogar ein separates Video, in dem richtige und falsche Ausrichtung gegenübergestellt werden.
2. Was macht dein Körper in der Kamel-Pose?
2.1. Was machen die Gelenke?
In der Kamel-Pose ist die Wirbelsäule gestreckt, während die Schulterblätter adduziert sind und nach unten rotieren. Die Schulter ist gestreckt und adduziert und die Ellenbogen befinden sich ebenfalls in Streckung.
Im Unterkörper befindet sich das Iliosakralgelenk in Kontranutation, d. h., der obere Teil des Steißbeins bewegt sich nach hinten und der untere Teil nach vorn. Die Hüfte ist gestreckt und adduziert. Die Knie sind geflext und die Sprunggelenke in Plantarflexion. Durch die Innenrotation der Beine wird das Iliosakralgelenk stabilisiert und dessen richtige Ausrichtung sichergestellt.
2.2. Welche Muskeln sind aktiv?
Beginnen wir mit dem Oberkörper und schauen uns an, welche Muskeln im Kamel (Ustrasana) aktiviert werden: Zur Streckung der Wirbelsäule kontrahieren die Wirbelsäulenstrecker und -beuger konzentrisch. Allerdings beruht ein Großteil der Streckung auch auf der Schwerkraft.
Die Bauchmuskeln und der kleine Lendenmuskel kontrahieren exzentrisch, um die Lendenwirbelsäule vor Überstreckung zu schützen. Der große Lendenmuskel wird passiv gedehnt.
Die hintere Nackenmuskulatur kontrahiert exzentrisch, um die Überstreckung der Halswirbelsäule zu verhindern, wenn du den Kopf nach hinten bringst. Jedoch sollte der Kopfwendemuskel nicht aktiv sein, sonst würde dein Schädel in Richtung Atlas und Axis (die ersten beiden Wirbel deiner Halswirbelsäule) gezogen werden.
Schauen wir uns nun die muskuläre Aktivität deiner Arme an: Die Rautenmuskeln und der Schulterblattmuskel kontrahieren konzentrisch, um die Schulter zu adduzieren, anzuheben und nach unten zu rotieren. Die Muskeln der Rotatorenmanschette stabilisieren das Schultergelenk und vermeiden die Protraktion des Oberarmkopfes.
Die Trizepse kontrahieren konzentrisch, um die Ellenbogen zu strecken und das Schultergelenk zu strecken und zu adduzieren. Der große und der kleine Brustmuskel sowie die Bizepse werden passiv gedehnt.
In den Beinen kontrahieren die Muskeln der Oberschenkelrückseiten konzentrisch. Der große Adduktorenmuskel und der große Gesäßmuskel sind für die Streckung, Adduktion und Innenrotation der Hüfte zuständig. Der gerade Oberschenkelmuskel kontrahiert exzentrisch, um die Hüftstreckung und Knieflexion zu stabilisieren.
Wenn du nach Ausrichtungshinweisen in anderen Yogaposen suchst, solltest du dir unser kostenloses Yoga-Asana-eBook nicht entgehen lassen. Darin erhältst du ein solides Grundverständnis für die Ausrichtungsprinzipien in einigen der häufigsten Asanas und kannst es so als Nachschlagewerk für deine Yogapraxis oder deinen Unterricht nutzen!
3. Wie wird die Kamel-Pose eine sichere Rückbeuge?
- Stelle deine Zehen auf
Die erste Frage, die sich bei der Kamel-Pose stellt, ist, wo sich deine Füße in dieser Yogapose befinden sollten: Sollst du die Zehen aufstellen oder lieber den Fuß flach auf den Boden legen? Die Sache ist die: Wenn du deine Zehen aufstellst, ist es viel einfacher, deine Beinmuskulatur zu aktivieren. Und du brauchst eine kräftige Beinmuskulatur, um deinen Brustkorb nach oben schieben zu können und nicht in die Pose hineinzusinken. Drückst du deine Zehen in den Boden, generierst du genug Kraft, um deinen Brustkorb nach oben in Richtung Decke anzuheben.
- Rotiere deine Arme nach außen
Oftmals sieht man, dass die Fersen mit den Fingern auf den Außenseiten der Füße und den Daumen auf den Innenseiten gegriffen werden. Dadurch sind die Arme allerdings nach innen rotiert, wodurch deine Schultern nach vorn geschoben werden. Diese Ausrichtung ist gefährlich in Rückbeugen wie der Kamel-Pose.
Stattdessen solltest du deine Arme nach außen rotieren. Wechsele also die Position deiner Hände, indem du deine Finger an die Innenseiten deiner Fersen legst und die Daumen an die Außenseiten. Ziehe deine Schultern zu den Ohren und bewege die unteren Spitzen deiner Schulterblätter zueinander. - Vermeide eine Überstreckung des Nackens
Ein häufiger Fehler ist auch, dass der Nacken in Ustrasana (Kamel) überstreckt wird. Dadurch ist zwar der Rachen weit geöffnet, aber die Rückseite, der Nacken, wird gestaucht, was auch zur Kompression deiner Luftröhre führt.
Hebe stattdessen den Kopf leicht an, was natürlich mehr Muskelkraft in der Nackenmuskulatur erfordert. Dadurch bleibt dein Nacken faltenfrei und du blockierst deine Luftröhre nicht. - Schiebe deine Oberschenkel nach hinten
Häufig wird in der Kamel-Pose die Anweisung gegeben, die Hüfte und die Oberschenkel nach vorn zu schieben. Dadurch entsteht allerdings Druck in deinem unteren Rücken. Das kann zu Schmerzen in deinem Rücken führen und insbesondere Rückbeugen sind eine häufige Ursache für Rückenschmerzen.
Stattdessen solltest du deine Oberschenkel nach hinten schieben, ohne dabei die Hüfte zu bewegen. Das ist vermutlich ziemlich schwer zu koordinieren. Deshalb kannst du dir vorstellen, dass du deine Beine strecken willst. Dadurch schiebst du deine Oberschenkel nach hinten
Sei dir stets bewusst, dass das Kamel eine Asana mit einer starken Rückbeuge ist. Es gibt zwei Bewegungen, die für eine gesunde Ausrichtung in dieser Pose unerlässlich sind:
- Innenrotation der Oberschenkel und
- Außenrotation der Oberarme.
Da es schwierig ist, die Oberschenkel nach innen zu rotieren, wenn du bereits in der Kamel-Pose bist, solltest du diese Innenrotation am besten durchführen, wenn du in Ustrasana gehst. Dies erreichst du, indem du die Füße (mit aufgestellten Zehen) weiter auseinander bringst, nämlich ungefähr mattenbreit.
4. Wie kannst du die Kamel-Pose an deine Yogapraxis anpassen?
Obwohl die Kamel-Pose eine sehr energetisierende Asana sein kann und dir zu mehr Flexibilität in der Wirbelsäule verhelfen kann, solltest du deinen Körper niemals in diese Yogapose hineinzwingen. Eine gute Idee ist es, deinen Körper gezielt auf Rückbeugen vorzubereiten. Young Ho Kim bietet beispielsweise eine abgerundete und sichere Warm-up-Sequenz für Rückbeugen auf TINT.
Außerdem kannst du dir unser Yoga für Nacken & Schultern anschauen, um die erforderliche Kraft und Flexibilität in Nacken und Schultern aufzubauen.
Bis du die Flexibilität und Kraft hast, die nötig ist, um diese Rückbeuge sicher auszuführen, kannst die Yogapose auch an deine Bedürfnisse anpassen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Kamel (Ustrasana) an deine Yogapraxis anzupassen, beispielsweise durch die Verwendung von Hilfsmitteln:
- Wenn es dir schwerfällt, deine Fersen zu erreichen, kannst du Yogablöcke außerhalb deiner Füße platzieren und mit deinen Händen danach greifen. Sollte dir das auch nicht möglich sein, kannst du einen Stuhl hinter dich stellen und mit deinen Händen nach dem Stuhl greifen.
- Hast du einen sensiblen Nacken, kannst du die Kamel-Pose in der Nähe einer Wand üben, um deinen Nacken zu schützen. Drehe dich mit dem Rücken zur Wand, stelle deine Zehen auf und bringe die Fußsohlen so nah wie möglich an die Wand. Wenn du dich nun zurückbeugst, kannst du die Kopfkrone gegen die Wand lehnen und dadurch die Schulterblattspitzen näher zusammen bringen.
- Wenn du tiefer in die Kamel-Pose gehen willst, kannst du auch einen Yogablock zwischen deinen Oberschenkeln einklemmen. Nutze die Muskulatur deiner Beine, um den Block nach hinten zu schieben, indem du den Block ganz fest zwischen deinen Oberschenkeln zusammenpresst. So vermeidest du, dass du dich nur dadurch nach hinten beugst, dass du dein Gesäß nach hinten schiebst, sondern nutzt tatsächlich deine Beine für die Rückbeuge.
Wenn du auf der Suche nach einer kleinen Herausforderung bist und den Brustkorb, die Schultern und Arme weiter öffnen möchtest, kannst du deine Unterarme überkreuzen und nach der jeweils gegenüberliegenden Ferse greifen.
Eine weitere Variante von Ustrasana (Kamel) ist die einbeinige Version Eka Pada Ustrasana. Dazu kniest du nur auf einem Knie und stellst den anderen Fuß nach vorn, sodass dein Bein einen 90-Grad-Winkel bildet. Die hinteren Zehen stellst du auf und ziehst die Waden zur Mittellinie deines Körpers und schiebst die inneren Oberschenkel nach hinten. Wölbe deinen unteren Rücken und ziehe dich über deine Taille in die Länge. Rotiere die Arme nach außen und hebe den Brustkorb an.
Du kannst entweder hier bleiben und die Arme mit den Handflächen nach oben zu den Seiten strecken, sodass sie nach außen rotieren, oder du greifst nach der aufgestellten Ferse mit dem Arm der gleichen Seite. Den anderen Arm hebst du über deinen Kopf nach oben. Drehe deinen Brustkorb zum nach oben gestreckten Arm, sodass deine Wirbelsäule symmetrisch ausgerichtet ist.
Wenn du das Kamel (Ustrasana) in einer Yogasequenz üben möchtest, lassen sich die folgenden Yogaposen sehr gut davor oder danach einbauen:
- die Katze (Cakravakasana),
- der Heldensitz (Virasana),
- die Kindeshaltung (Balasana) oder
- das Tor (Parighasana).
Um Schmerzen in deiner Yogapraxis zu vermeiden, ist die korrekte Ausrichtung unerlässlich – insbesondere, wenn es um deinen Rücken geht. Um Rückenschmerzen in deiner Yogapraxis zu vermeiden, schau dir unser kostenloses Yoga-Asana-eBook an. Darin sind die häufigsten Yoga-Asanas zusammengefasst, auch weitere Rückbeugen, sodass du es als Nachschlagewerk für deine Yogapraxis nutzen kannst.
5. Was bringt dir die Kamel-Pose?
Obwohl der Rücken sich sowohl nach vorn als auch nach hinten beugen kann, verbringen die meisten von uns den ganzen Tag in nur einer Bewegung: nach vorn gebeugt vor dem Computer oder dem Schreibtisch. Deshalb eignen sich Rückbeugen wie das Kamel (Ustrasana) hervorragend, um die Flexibilität der Wirbelsäule wiederherzustellen.
Allerdings kann die Kamel-Pose nicht nur die Flexibilität der Wirbelsäule verbessern, sondern gleichzeitig auch die Rückenmuskulatur stärken. Somit kann dir diese Asana dabei helfen, deine Körperhaltung zu verbessern.
In der Yogapraxis wird das Kamel oft in Vorbereitung intensiverer Rückbeugen praktiziert, da diese Pose die gesamte Vorderseite des Körpers dehnt, insbesondere die Brust, den Bauch, die Hüften und die Hüftbeuger.
Ustrasana schafft außerdem mehr Raum für die Lungen im Brustkorb und kann so die Atemkapazität erhöhen, wodurch sich auch Atembeschwerden lindern lassen.
Die intensive Dehnung für die Vorderseite des Körpers stimuliert außerdem die Bauchorgane und kann so die Verdauung und Durchblutung fördern. Deshalb wird dieser Asana auch eine entgiftende und energetisierende Wirkung nachgesagt.
Wenn du nun die positiven Effekte von Rückbeugen wie der Kamel-Pose am eigenen Leib erfahren möchtest, haben wir etwas für dich: Auf TINT gibt es zahlreiche Programme, in denen du die positiven Auswirkungen, die Rückbeugen auf deine Flexibilität, Körperhaltung und dein gesamtes Wohlbefinden haben können, spüren kannst. Du kannst Rückbeugen zum Beispiel mit Finlay Wilson oder Master Your Backends mit Mathieu Boldron üben. Und du solltest dir auf keinen Fall Barbra Nohs Bamboo Backbends entgehen lassen. Es ist Zeit für Rückbeugen!